Dr. Oliver Stenschke (Göttingen): Die Probleme werden weiter?bestehen? - Rechtschreibreform in Theorie und Praxis
Nachdem die Rechtschreibreform Ende 1994 mit der Veröffentlichung einer Extraausgabe des Sprachreports (der Zeitschrift des Instituts für Deutsche Sprache) gewissermaßen auf die Zielgerade einbog, nahm parallel dazu die Diskussion darüber ihren ebenso unaufhaltsamen wie in Teilen verhängnisvollen Lauf. Getragen von einer Emotionalität, die bei nüchterner Betrachtung des Gegenstands kaum nachvollziehbar erscheint, wurde zunächst jahrelang vorwiegend über eher nebensächliche Schreibungen wie "belämmert", "Spagetti" und "Schifffahrt" gestritten, während - mit Ausnahme von "dass" - die wirklich relevanten und problematischen Bereiche der Reform in der Öffentlichkeit völlig außer Acht gelassen wurden.
Zu diesen Bereichen gehört in jedem Fall die Getrennt- und Zusammenschreibung, wie teilweise noch heute ein Blick in die tägliche Morgenzeitung (oder eine vergleichende Suche nach "zurückkommen" und "zurück kommen" bei Google) verdeutlicht. Auch in der Schule wird es schwierig, wenn man zu erklären versucht, warum "zusammenschreiben" in bestimmten Fällen auch getrennt geschrieben werden kann, "auseinanderschreiben" hingegen immer zusammengeschrieben wird. Wobei man übrigens "getrennt schreiben" schon vor der Reform getrennt schrieb, während man "auseinanderschreiben" zwischenzeitlich auch "auseinander schreiben" konnte. Diese praktischen Probleme haben theoretische Ursachen, die trotz der letzten Korrekturen des Rechtschreibrats im Jahre 2006 weiter bestehen bzw. weiterbestehen werden und damit eine bleibende Herausforderung für Linguistik und Didaktik darstellen.