Prof Dr. Ferenc Kiefer (Budapest): "Aspekt und Aktionsart"
1. Aspekt
Aspekt ist die interne temporale Struktur des Satzes, die z.B. mit Hilfe einer Intervalsemantik beschrieben werden kann (Dowty 1979). Vgl. ung. föz ’kochen’ – meg-föz ’fertig kochen’: egész délelött fözött ’er/sie hat den ganzen vormittag gekocht’ (imperfektiv) – egy óra alatt megfözte az ebédet ’er/sie hat das Mittagessen in einer Stunde zubereitet’ (perfektiv).
2. Zum Begriff ’Aktionsart’
Die Aktionsarten sind durch ein semantisches und zwei formelle Kennzeichen als besondere Kategorie von Verben charakterisiert:
(a) Zusätzliche Modifizierung der Eigenbedeutung eines Basisverbs. Dabei bleibt die lexikalische Bedeutung des Basisverbs unverändert.
(b) Formales Ausdrucksmittel: Anfügen eines modifizierenden Suffixes oder Präfixes an ein selbständig existierendes Verb.
(c) Aspektmäßige Unpaarigkeit der Verben, welche Aktionsarten ausdrücken.
Zu (a) und (b): jagen – erjagen, schlafen – ausschlafen, heizen – überheizen
Zu (c): Russisch pisat’ (imperfektiv) – napisat’ (perfektiv und resultative A.) - *napisyvat’ (imperfektiv und resultative A.); pisat’ (imperfektiv) – perepisat’ (‚abschreiben’, perfektiv) – perepisyvat’ (‚abschreiben’, imperfektiv).
3. Aktionsart und Aspekt
Aspekt ist die interne temporale Struktur des Satzes. Eine Aktionsart ist aspektuell relevant, wenn sie temporale Folgen hat. Z.B. im Russischen die attenuative Aktionsart, die von einem perfektiven Ausgangsverb gebildet wird und perfektiv bleibt: vypit’ – podvypit’ ‚ein bißchen trinken’; im Ungarischen das Suffix -gat/-get mit gleicher Bedeutung: olvas ‚lesen’ – olvas-gat ‚ein bißchen lesen’.
4. Aktionsartbildung als Wortbildungsregel
„A morphological pattern is productive, if in principle new words can be formed according to that pattern, in an unintentional way“ (u.a. Booij 2002). Ein zusätzliches Kriterium für die Aktionsartbildung: Die Bildung muß produktiv oder mindestens regelmäßig sein. Im Ungarischen kann die attenuative Aktionsart aus jedem durativen Handlungsverb gebildet werden: E-Mail > ung. ímél (N) -> ímél-ezik (V) ‚E-Mail schreiben/lesen’ -> ímél-ez-get ‚ein bißchen E-Mail schreiben/lesen’.
5. Kontaktlinguistische Gesichtspunkte der Aktionsartbildung
U.a. Slawish, Litauisch, Deutsch, Jiddisch, Ungarisch, Romani.